Niederpöllnitz - Münchenbernsdorf


Mit eine der kürzesten Strecken im ehemaligen Reichsbahnamtsbezirk Saalfeld aber trotzdem soll die Strecke nicht unerwähnt bleiben. Knapp 9 km lang aber auf Grund ihrer geschichtlichen Entwicklung und auch als Nachbau für die Modellbahn nicht uninteressant.  Bereits um 1856 wurden in Münchenbernsdorf die ersten Teppichfabriken der Firma Poser gegründet die im Laufe der Jahre auf sechs Produktions Werke anwuchsen. Durchschnittlich arbeiteten ca. 1500 Frauen und Männer. Rund um "Bernsdorf" entwickelte sich das Leben, immer mehr Arbeitssuchende siedelten sich an, Städte und Gemeinden wuchsen und begannen zu gedeihen. Vor dem Streckenbau wurden Teppichwaren und Stoffe mittels Fuhrwerk nach Niederpöllnitz transportiert und hier be- oder entladen, auch die Kohle für die Dampfmaschinen. So hatten auch die Arbeiter der Teppichfabriken wie überall in Deutschland Arbeits- und Wegezeiten von 12 bis 14 Stunden täglich.

Durch internationale Messen auf denen die Firma Poser präsent war konnte sich das Produktionsvolumen durch steigenden Absatz stark erhöhen, so das es zwar schon nach 1880 zu Plänen und Bahn Diskusionen im "Bernsdorfer" Rathaus sowie im Thüringer Landtag kam, aber die Strecke erst 1909 eingeweiht wurde. 

Also ging es viele Jahre auf den alten ausgefahrenen Strassen hin und her mit den Fuhrwerken. Münchenbernsdorf wurde mehrfach täglich von Postkutschen angefahren die auf den Strassen nach Gera, Jena, Hermsdorf, Eisenberg unterwegs waren.

Der Hauptverkehrsweg ging immer Richtung Gera das ca. 12 km von "Bernsdorf" entfernt war, so war man mit der Bahnlösung und dem Bahnbau nach Münchenbernsdorf nicht ganz zufrieden.

Die Strecke verlief eigentlich entgegengesetzt und man über Niederpöllnitz und Weida erst nach Gera gelange, ..." ein guter Bote zu Pferde, schaffe den Weg in kürzerer Zeit nach Gera als der Dampfzug über Pöllnitz...." witzelte man in jener Zeit.

Der Schienenweg Gera - Niederpöllnitz - Bernsdorf beträgt ca. 26 km der direkte Weg auf der Strasse ca. 12 km, so das schon mit Bahngründung abzusehen war das eine Verlängerung über Saara nach Gera oder in Richtung St.Gangloff - Hermsdorf zur "Holzlandbahn" nur von Vorteile sei. Zumal die Güter schneller über Hermsdorf bzw. Gera direkt abgefahren werden können.

Das Projekt der Streckenverlängerung "geisterte" viele Jahre durch die Zeitungen damaliger Zeit. Auch Ideen einer Überlandbahn von Gera nach Bernsdorf wurde aufgegriffen aber nie weiter verfolgt. Durch die "falsche Richtung" war der Personenverkehr immer etwas im Abseits, da ja ab 1920 schon die ersten Kraft- und Postbus Linien von Gera nach "Bernsdorf" fuhren und somit ca. 80 % der Bevölkerung diese direkte Linie nach Gera nutzten. Arbeiter, Schüler die nach Weida oder Triptis mußten, benutzten weiter den Zug. Mit den Bussen kamen auch die LKW und so wurde das Gut bis zur Geraer Güterabfertigung transportiert. Braunkohle dann teilweise direkt mit dem LKW von Profen abgeholt es waren ja nur ca. 50 km einfach und so konnte die Kohle für die Dampfmaschine direkt, schnell und billig per LKW transportiert werden. Durch die Nichtverlängerung der Strecke übernahmen LKW und Bus insgesamt ca. 70 - 80 % der Transportleistungen der "Bernsdorfer" Industrie. Mit der Nähe zur Reichsautobahn und dem Hermsdorfer Kreuz ab den 30er Jahren ging dieser Prozess noch weiter da Regional ansässige Spediteure ihre Dienste anboten. So das schnell mal eine LKW Ladung über die Autobahn und über Nacht die "Bernsdorfer" Teppichwerke verliesen und zu ihrem Empfänger gelangten. Hier war es in erster Hinsicht die Stückfracht also fertige Teppiche oder Rollen die einzeln als Frachtgut transportiert wurden. Ähnliche Problematik wie auf der Eisenberger Strecke machte sich falsche Streckenführung negativ im Bahnverkehr bemerkbar. Zwar hatte die Bahn ihre Aufgaben die sie zur Zufriedenheit erfüllte aber auch schon damals waren Zeit und Wirtschaftlichkeit ebenso wie heute von großer Bedeutung aber mit anderen Maßen. Früher zählte die Devise "Leben und Leben lassen".


Bedeutung erlangte die Strecke ab 1938 mit Gründung des "Wifo" Tanklagers und ab den 70er Jahren mit der Neuerrichtung des Staats Reserve Lagers bei Großebersdorf. Der Personenverkehr war so gering, daß der Betrieb 1967 eingestellt wurde und nur noch als Güterverkehrs Strecke bis 1993 betrieben worden ist. Haupt Güterverkehrskunden waren die Teppichwerke, das Militär und das Tanklager sowie der Kohlenhändler im Bahnhof Lederhose. 


Täglich fünf Zugpaare auf der Strecke 85 im Kursbuch von 1937 zu finden.


Neben dem nicht gerade starken Personenverkehr der Strecke war denoch an den Wochenenden, Feiertagen und im Sommer etwas mehr Verkehr auf der Strecke, was zumal für Ausflüge, örtliche Aktivitäten Sportfeste, Fußball u.s.w. genutzt wurde. Auch Münchenbernsdorfer Lokalitäten waren bekannt wegen ihrer hervorragenden Speisen. Gerade Wanderungen nach und aus Richtung Hermsdorf durch das bewaldete Holzland waren durchaus sehr beliebt, von "Bernsdorf" über Lindenkreuz, St.Gangloff nach Hermsdorf ca. 14 km also durchaus wanderbar mit den verschiedenen Rastmöglichkeiten oder über die Käseschenke nach Kraftsdorf zeugen noch heute von Beliebtheit und einem großen Fundus an noch heute erhältlichen Postkarten der Gasthausbesitzer oder Pächter jener Zeit.


Sonst war das Hauptstandbein der Strecke der Güterverkehr. Ersichtlich auch durch den Bau der großen Güterhalle und einiger Abstellgleise für Wagen, zumal immer eine Lok hier stationiert war für Rangierarbeiten, vorher eine BR 93 später eine Kleinlok.  Auch 58er taten hier ihren Dienst oder mal eine 86er die auch im Bw Saalfeld waren und bei Reparaturen als Ersatzlok auf der Strecke kurzzeitig eingesetzt waren. Durch das hohe Güteraufkommen hatten Triebwagen auf dieser Strecke keine Chance, da durchaus ca. 15 Güterwagen mit einem Zug zu befördern waren. Aus Gera kamen auch gelegentlich 57er Lokomotiven mit WiFo Zügen auf die Strecke die aus Richtung Leuna, Buna,Wolfen teilweise als Ganzzüge in Münchenbernsdorf eintrafen. Auch gelegentliche Sonderzüge mit "hohen Gästen" befuhren die Strecke und besichtigten das "WiFo" Gelände unter strengster Geheimhaltung. Die "Bernsdorfer" Lokomotiven kamen täglich bis Triptis, Weida und waren sonst nur auf ihrer Strecke anzutreffen. Güterzüge nach Weida als Anschlußverkehr nach Sachsen zu den hier bestehenden Textil- und Teppichwerken mit denen Geschäftsverkehr bestand. Überstellung der Wagen in Güterzüge Richtung Plauen, Reichenbach, Crimmitschau. Neben dem schweren Rohstoffballen war auch die Übernahme der Kohlewagen von großer Bedeutung, da gerade die sechs riesigen Dampfmaschinen der Teppichwerke rund um die Uhr versorgt werden mußten, da hier auch Schichtbetrieb bestand. 


Großebersdorf


Ca. 2,2 km hinter Niederpöllnitz liegt der Bahnhof Großebersdorf mit Kreuzungs-, Überholungsmöglichkeiten. Ladestrasse, etwas Reiseverkehr.

 

Das Gasthaus "Zur grünen Linde" um 1905 in Großebersdorf Wir haben heute vielen Hoteliers, Gastwirten, Fabrikbesitzern jener Zeit manche schöne Postkarte zu verdanken, die dies als Werbung für ihr Geschäft sahen und somit auch Fahrgäste in die Züge mancher Nebenbahn brachten. Somit lebte einer vom anderen.

Großebersdorf nach dem ersten Weltkrieg, Anfang der zwanziger Jahre. Ortsansicht mit Bahnhof, ein Personenzug mit zwei Wagen unterwegs nach Münchenbernsdorf, was wohl dem damaligen Reisendenaufkommen entsprochen hat.

Der kleine Bahnhof Großebersdorf kam im Sommer 1930 nocheinmal zu Postkartenehren sowie die Ortschaft selbst. Geruhsames und idyllisches Leben am Bahnhof und auf dem Land. Die Worte Stress und Hektik kannte man damals noch nicht.

Hier und da finden sich noch einige Reste der Münchenbernsdorfer Strecke. Ein alter Bahnübergang hinter Großebersdorf auf der Zufahrtsstrasse zum Tanklager erinnerte am 14.06.2024 nochmals an die einstige Strecke.
Fahrplan 1943


Anschluß Tanklager Großebersdorf


Ab den 70er Jahren in Betrieb, Anschlußbahnhof mit Werklok, Staatsreservelager der DDR heute Heizöl Lager in Betrieb mit eigenem Stellwerk, Fahrdienstleiter und Personal. Hier war eine Werklok V 23 vorhanden, bedient wurde mit Saalfelder, Geraer, Zeitzer Lokomotiven BR 118, BR 120, BR 119, BR 132.

 

Im Frühjahr 1999 pausierte die Werklok des Tanklager Großebersdorf gerade im Werkbahnhof. Zu dieser Zeit kamen oft zwei Züge täglich in das Tanklager. So wurde auch an diesem Tag ein zweiter Kesselzug erwartet.

Abgestellte Lokomotiven im Tanklager Anschluß Großebersdorf im April 2005.


Lederhose (Thür.)


Kreuzung, Überholung in Lederhose, Ladestrasse, Güterhalle. Bescheidener Reiseverkehr.


Der Bahnhof Lederhose mit der stilistisch eingefügten Zuggarnitur um 1914. Eine Lok mit 2-3 Wagen war wohl die realistische Zuggarnitur auf dieser Strecke ohne bedeutende Anbindung.

Lederhose 1935 mit Gedicht auf den Bahnhof Lederhose.Leider ohne Bahnhof.

Gruß aus Lederhose im Jahre 1917 mit Bahnhof (links)

Gleisplan des Bahnhofes Lederhose aus den 40er Jahren. Hier fanden planmäßige Kreuzungen oder Überholungen mit Güter- und Personenzügen statt. Quelle. Günter Fromm Erfurt

Ortschaft Lederhose im Sommer 1940.

Ein Privatfoto aus den ersten Betriebsjahren der Strecke. Zug- und Stationspersonal in Lederhose, eine BR 57 und eine Tenderlok. Es könnte sich auch um eine Inspektionsfahrt gehandelt haben. Das Bild sollte im Müll verschwinden, Schade ohne weitere Bezeichnung.

Fahrplan 1922

Kopie eines Frachtbriefes mit Empfangsbahnhof Lederhose aus den 40er Jahren. So sorgten die regionalen Kohlehändler für stabilen Güterverkehr auf der Nebenstrecke neben den Münchenbernsdorfer Teppichfabriken, der Landwirtschaft und den Stückgütern.

 

Münchenbernsdorf


Endbahnhof der Strecke nach knapp 9 km Länge. Abstell-, Ladegleise, Güterabfertigung, Lokschuppen mit Behandlungsanlagen, Wasserturm. Hauptstandbein der Güterverkehr. In Richtung Einfahrtsignal befand sich der "Wifo" Anschluß, später Militäranschluß der Russischen Armee. Neben dem Haupttransportgut Teppichballen, Rohstoffballen, Kohle und Treibstoffen waren hier auch zahlreiche Wagenladungen mit Erntegut, Dünger, Saatgut be- oder entladen worden, ebenso Holz. Um die Stadt Münchenbernsdorf befanden sich zahlreiche Ortschaften mit beträchtlicher Landwirtschaft. Hauptsächliche Versorgungsrichtung war Gera, Weida, Greiz und einige Städte hinter der Landesgrenze in Sachsen.


Das stattliche EG in Münchenbernsdorf mit großem Anbau der Güterhalle läßt auf einen entsprechenden Verkehr schließen wie er in der Phase des "Eisenbahnfiebers" heraufbeschworen wurde. Leider kam es nicht zu "dem Erfolg" wie angenommen, auf Grund fehlender direkter Verbindungen nach Gera oder Hermsdorf Klosterlausnitz. Der in den 20er Jahren einsetzende Omnibus und LKW Verkehr nahm der Bahn erhebliches Potential weg. Denoch war es anfänglich eine Erfolgsgeschichte und ein wirtschaftlicher Aufschwung für die Stadt. Mit Anbindung an das große Eisenbahn Netz Deutschlands. Bahnhof Münchenbernsdorf im Jahre 1913.

Der Bahnhof in Münchenbernsdorf 1906 nach seiner Fertigstellung oben links. Nach dem Bahnbau entwickelten sich Gewerbe und Industrie im positiven Sinne der Stadt.Blickrichtung aus Lederhose, das Stadtgebiet ist heute bebaut. Im Hintergrund das Bahnhofshotel (Bildmitte).

Bahnhofsgebäude mit Güterabfertigung in Münchenbernsdorf 1915.

Genau unterhalb des Bahnhofes verläuft die Bahnhofstrasse - Links das Bahnhofs Hotel, das Postamt und weitere Wohnhäuser um 1910.

Der untere Teil der Bahnhofstrasse Münchenbernsdorf 1913 mit Wohn- und Geschäftshäusern.

Eisenbahn Ingenieur Günter Fromm machte sich die Mühe Münchenbernsdorf als Durchgangsbahnhof zu entwerfen. Am linken Tunnelportal befindet sich der Prellbock und rechts unten eine Weiche zu dem zweiständigen Lokschuppen mit Behandlungsanlagen. Die eingezeichneten Tunnel sind nicht vorhanden. Aber so entstand ein kleiner Durchgangsbahnhof für die Nebenbahn.

HO Modell eines "Wifo" Kesselwagens der DRG Ep.II von Tillig, wie er also durchaus realistisch zum Bahnhof Münchenbernsdorf in jener Zeit gefahren wurde.

Briefkopf der Teppichfabriken Münchenbernsdorf von 1913 mit einem Teil der riesigen Produktionsanlagen.

Volksfeststimmung am 14.November 1909 in Münchenbernsdorf am Bahnhof, vor der Abfahrt eines "Passagierzuges" nach Niederpöllnitz.

Ausfahrt eines der ersten Personenzüge in Münchenbernsdorf 1909. Im Hintergrund der zweiständige Lokschuppen, auch die Gleislage links vom Zug läßt noch Baucharakter erkennen.

Fahrplan aus dem Kriegsjahr 1943.

Abfahrtbereiter PmG in Münchenbernsdorf im Jahre 1913. Personenzugwagen mit 2. und 3. Wagenklasse, Packwagen und zwei leere O-Wagen vermutlich zur Wiederbeladung mit Braunkohle Richtung Zeitz für die Dampfmaschinen der Münchenbernsdorfer Teppichfabrik. Bei der Lok handelt es sich um einen preußischen B-Kuppler, der später als BR 98 bezeichnet wurde.

Ein Rechnungskopf der 30er Jahre der "Weges" Teppichfabriken in Münchenbernsdorf läßt den Bedarf, das Wachstum der Münchenbernsdorfer Teppichindustrie erkennen. Es rechtfertigt auch den Bedarf des Bahnanschlußes Richtung Niederpöllnitz. So läßt sich leicht erahnen, was diese riesige Fabrik für einen Güterbedarf aller Art im Empfang und Versand hatte. Nebenbei bemerkt ist dies eine von sechs Teppichfabriken im Stadtgebiet Münchenbernsdorf, die nach dem zweiten Weltkrieg zu den VEB Vereinigten Teppichfabriken zusammengefasst wurden.

Obwohl sächsischer Herkunft, bietet sich das Großserienmodell von PMT der BR 98.70 in verschiedenen Ausführungen für den Modellbahnbetrieb auf der Strecke Niederpöllnitz - Münchenbernsdorf an. Eine Zugehörigkeit zum sächsischen Bw in Gera im Modell.

 

In Münchenbernsdorf waren zwei Lokomotiven beheimatet, die im Wechsel im Strecken- und Rangierdienst eingesetzt wurden. Die Lokomotiven fuhren planmäßig nach Niederpöllnitz und zurück. Einmal täglich nach Triptis zur Untersuchung und Nachstellen der Bremse durch Maschinenpersonal. So unterstand der Lokbahnhof der Einsatzstelle Triptis und dem Bw Saalfeld. Für den Zugdienst waren bis Ende der 60er Jahre drei Zugführer und drei Zugschaffner in Münchenbernsdorf stationiert.