Industrie und Eisenbahn eine identische Wechselwirkung


Nicht nur in Saalfeld, sondern einem großen Teil der Städte und Gemeinden bestand eine aktive Wechselwirkung durch Industrie, Handel, Bergbau, Tourismus, Land- und Forstwirtschaft sowie weiteren Wirtschaftszweigen mit der Eisenbahn. In wenigen Sätzen gesprochen, dort wo schon Produktionsorte waren wurden Gleise verlegt, siedelten sich Menschen an und Industrie. Die Eisenbahn brachte Geld, Tourismus und Aufschwung in viele Orte. Dabei profitierten alle gegenseitig um es kurz auszudrücken.


Als bereits um 1800 erste Anfänge der Eisenbahnen vermeldet wurden, konnte sich kein Mensch das Wunder Eisenbahn vorstellen. Ein fachendes, stählernes Ungetüm, daß über Stahlgleise fuhr. Und ohne Schaden davon zu tragen beförderte es Güter und sogar Menschen. Man sprach von Hexerei, der Herbeiführung von Krankheiten und dem Übernatürlichen Fragment. 1835 war es dann soweit eine der ersten Eisenbahnen in Deutschland wurde in Betrieb genommen, die erste Fracht ein Faß Patrizier Bier das transportiert wurde. Mutige Bürgerinnen und Bürger aus Nürnberg und Fürth wagten die atemberaubende Fahrt auf der sieben Kilometer langen Strecke ohne Schaden davon zu tragen. Ein "höllisches Abenteuer" jener Zeit, so war man doch in Windeseile von einem Ort im nächsten.


Ein großes Abenteuer war die Inbetriebnahme der ersten deutschen Fernbahn von Dresden nach Leipzig. Also ganze vier Jahre später 1839 mit 120 km Streckenlänge ein gigantisches Unternehmen. 

Für Techniker und Ingenieure ein großes Wagnis und Risiko, Herausforderungen aller Art. 


Schnell aber überwogen die Vorteile des bequemen Reisens, der schnellen Güterbeförderung, Post konnte schneller befördert werden. Man war innerhalb eines Tages am Ziel oder konnte an einem Tag Hin und Zurück fahren. Man konnte Regionen erkunden, an den Strecken wuchsen Ortschaften und die Industrie. Alles was vorher undenkbar war wurde jetzt möglich. Auch an einem Ort zu arbeiten und Abends wieder zu Hause zu sein. 


Man sprach vom Wunder Eisenbahn. Sicherlich wollte nach 1850 jede größere Ortschaft eine Eisenbahnverbindung. Aber nicht nur die Bevölkerung, Land- und Forstwirtschaft und Industrie spekulierte auf das Wunder, auch das Militär.

Unvorstellbar schnell wandelte sich das Leben, was vorher lange dauerte oder unmöglich war, erledigte sich an einem Tag oder in kürzester Zeit.


Bis um 1850 machte die Bahn um Saalfeld einen weiten Bogen. 

In erster Linie baute man Strecken zu den bedeutenden Großstädten Deutschlands. Messestädte wie Nürnberg, Frankfurt, Leipzig.

Hanse- und Hafenstädte wurden erschlossen und große Industrie Regionen Deutschlands, die bis um 1880 durch Hauptstrecken miteinander verbunden waren. Auch der Anschluß an europäische Nachbarländer lies nicht lange auf sich warten.


Betrachtung der Strukturen rund um Saalfeld


Auf Grund der Abgeschiedenheit der Region, die lediglich an den Heeres- und Handelsstraßen lag entwickelte sich die Wirtschaft sehr langsam. Der Haupterwerb war die Landwirtschaft, die Flößerei auf der Saale und der Bergbau. So konnten mit Fuhrwerken immer nur relativ kleine Mengen transportiert werden auf den damals schlecht ausgebauten und zerfahrenen Wegen. Tagelange Fahrten, Unfälle, Verbrechen und auch das Wetter erschwerten sämtliche Transporte. 


Um 1850 kam Bewegung in den Bahnbau, ein Jenaer Eisenbahn Comitee erwägte die Linie durch das Saaletal. Hinzu kamen die Kleinstaaterei, leere Kassen und Kriege, die immer wieder zu Rückschlägen im Bahnbau führten. Auch gab es keine Spezialisten, die schnell verfügbar waren. 

Gerade das Mittelgebirge stellte seine Herausforderungen.

Der Bau der "Saalbahn Linie" scheiterte an der Kleinstaaterei.

So ging es bereits ab 1868 die Sächsische Linie Weißenfels - Zeitz - Leipzig im Norden mit Leipzig zu verbinden und im Süden mit Bayern. Auch war die Idee der Querverbindungen zwischen der Geraer Linie und der Sächsisch-Bayerischen Linie im Gespräch.

So zeugte der Verkehr auf der Linie Leipzig-Hof mit Weiterführung an die Ludwigs Süd Nord Bahn von Hof über Lichtenfels-Bamberg-Nürnberg-Augsburg nach Lindau von großem Vorteile. Gerade von München über Nürnberg bis zur Fränkisch / Sächsischen Industrie Region und Mitteldeutschen Braunkohlerevieren in die Messestadt Leipzig entwickelte sich jeder Strukturzweig rasant. 

Ansiedlung von Arbeitskräften, Eröffnung und Erweiterung von Firmen, Tourismus, Bergbau etc.

Die steigenden Gewinne brachten auch Einnahmen in die Stadt- und Gemeindekassen. Selbst kleinste Orte profitierten von der Bahn durch Bau von Ladegleisen, Güterschuppen und der Errichtung von Pensionen, Gast- und Logierhäusern, Hotels und der Eröffnung von Touristischen Attraktionen jener Zeit. 


Bereits als Gera den ersten Bahnanschluß bekam war es von Neustadt (Orla) und Pößneck eine Tagesreise bis zur Bahnstation Gera. Dortige Unternehmer konnten ihre Waren innerhalb kürzester Zeit versenden oder empfangen. 

Heimlich entwickelten sich beide Städte zur Industrie Region, die ab 1871 mit Eröffnung der Linie Gera-Saalfeld-Eichicht innerhalb kürzester Zeit eine positive und schnelle Entwicklung nahmen.

Bereits 1871 standen die Regionen Gera und Zeitz durch den Bahnbau in einer unheimlich starken wirtschaftlichen Blüte, da hier bereits schon über 12 Jahre der Bahnanschluß bestand.

Bereits 1859 bestand die Linie Weißenfels - Zeitz - Gera und erst 1873 wurde die 45 km lange Direktstrecke Leipzig-Pegau-Zeitz eröffnet.


Von Sächsischer und Preußischer Seite her stand die Stadt Hof schon immer im Visier Bahnlinien hier anzuknüpfen. Nicht nur wegen der Weiterführung nach München sondern auch wegen der Lage und Streckenführung nach Böhmen. 

Auf den Leipziger Messen machte man sehr gute Geschäfte mit der Böhmischen Industrie. Auch das Textilgewerbe der Fränkisch / Sächsischen Region belieferte Thüringen. Nur bestanden keine direkten und schnellen Verbindungen.


Den Pößnecker und Neustädter Textilproduzenten jener Zeit ist der schnelle politische Entschluß zur Weiterführung einer Linie nach Saalfeld zu verdanken. Man verfügte hier schon bereits nach dem 30-jährigen Krieg über Woll- und Tuch Produktionen. In Pößneck gab es den Wollmarkt. Mit dem Bau der Linie nach Saalfeld bestand die Hoffnung zum Weiterbau einer Linie nach Hof, Kronach, Coburg oder Sonneberg.

Auch Saalfeld und Umgebung drängte. Unmengen von Bau- und Bergwerksmaterialien könne man von der Saalestadt auf die Reise schicken. 

Gemeint waren Schiefer, Steinmaterialien aus Brüchen zum Gebäude-, Strassen- und Bahnbau sowie Erze aus Kamsdorf, Unterwirrbach, Dittrichshütte. 

Auch der Holzreichtum der über die Saale in Tagelanger Flößerei stattfand könne sich mit dem Bahntransport beschleunigen.

Städte und Gemeinden rangen regelrecht nach Baumaterial.

So explodierten die Ortschaften ab Gera nördlich regelrecht durch Zuzug, mit der Schaffung von Arbeitsplätzen gerade in Gera, Zeitz, Leipzig.

Der Kohleabsatz explodierte sprichwörtlich, Dampf- und Arbeitsmaschinen mußten versorgt werden. So ging nichts ohne Kohle.

Steinbrüche hatten riesigen Absatz an Steinmaterialien zu Bauzwecken und die Eisen-  und Hüttenindustrie bemühte sich um die Lieferung von Eisenerzen.

Bereits ab 1872 wurde das Thüringer Erz in der Maximilianshütte Unterwellenborn selbst verhüttet und veredelt. Mit der Bahn 1871 legte man den Grundstein.


Mit der Eröffnung der Geraer Linie begannen sich in Saalfeld umfangreiche Industriezweige zu etablieren.

Unterschiedliche Firmen siedelten sich in Bahnhofsnähe und im oberen Stadtgebiet an.


Von 1871 an Wuchs die Bevölkerungszahl der Region ebenfalls kräftig durch Zuzug. 

Man fand überall Arbeit, aber auch kleiner Wohlstand der kleinen Leute verbreitete sich. 


Ab 1874 mit der Eröffnung der Jenaer Linie erlebte Saalfeld einen zweiten Aufschwung. Bereits 1885 stellte man fest, daß die Bahnanlagen mit Eröffnung der Arnstädter Linie zu klein sind.

Unglaublichen Aufschwung nahm der Tourismus ab Naumburg über Jena und ab Haynsburg über Gera entlang beider Bahnlinien durch den Tourismus.

Zu den bedeutensten touristischen Ortschaften zählte Naumburg, Bad Kösen, das Saaltal bis Saalfeld an der Jenaer Linie.

Ab Haynsburg bei Zeitz sprach man über die "Haynsburger Schweiz", Wetterzeube, Postkutschenanschlüße später Bahnanschlüße in das Elstertal in Richtung Ziegenrück und Obere Saale.

Saalfeld selbst galt als eine besondere Attraktion. Frühzeitig widmete man sich der Behandlung von Lungenkrankheiten, Kur- und Genesungsheime gerade für Menschen mit Lungenleiden aus den Industrieregionen Halle / Leipzig / Zeitz.

Aber auch die allmähliche Erschließung der Ortschaften entlang der Bahnlinien brachte Besucher in die Region.

Ab 1874 sorgte der Betrieb der Linie Schwarza - Blankenburg und ab 1885 der Arnstädter Linie für hochkratiges Interesse. 

So bildete doch Bad Blankenburg selbst und auch als Ausgangspunkt für Reisen in das Schwarzatal über Schwarzburg, Sitzendorf bis Katzhütte einen touristischen Leckerbissen. Unmengen von Reise- und Zeitungsberichten sprechen von malerischer Schönheit. 


Auch die Bereisung des Sormitztales Richtung Leutenberg und des Loquitztales bis Lauenstein und Ludwigsstadt sorgte für positives Echo der Reisenden. So ging es doch von Eichicht mittels Kutschfahrt in beide Täler. 


So konnte auch ab 1871 Schiefer, Steinmaterial und Holz in einer Tagesreise zum Bahnhof Eichicht aus beiden Tälern transportiert und verladen werden. Was Produktion und Transport ankurbelte.

Auch verkürzten sich Transport- und Handelswege von Saalfeld nach Sonneberg und Coburg den wichtigen Thüringer Handelsstädten.


Mit der Eröffnung der Maxhütte und der Erschließung des Bergwerkes in Kamsdorf erlebte auch Unterwellenborn, Kamsdorf, Könitz und alle umliegenden Ortschaften einen Bevölkerungszuwachs. 


Aber nicht nur die Industrie, auch alle weiteren Wirtschaftszweige erblühten durch große und neue Absatzmärkte. Das Touristische Gewerbe und Sanatorien benötigten Unmengen Arbeitskräfte.


Mit dem Bahnbau, der Erweiterung von Bahnanlagen siedelten sich auch entlang aller Strecken zahlreiche Eisenbahnerfamilien an.

Bestand doch zu damaliger Zeit ein erheblicher Bedarf an Arbeitskräften. Gerade im Bahnbau und Streckenunterhaltungsdienst wurden zahlreiche Arbeitskräfte benötigt. War doch Streckenunterhaltung und Ausbesserung auf Grund fehlender Technik sehr Personalaufwendig.

So waren Bahnmeistereien mit über 150 Beschäftigten keine Seltenheit. Dabei ging es nicht nur um Gleisbau und Unterhaltung auch Stützmauern, Gebäude, Anlagen, Tunnel und um Grünschnitt am Gleis.

So mußte links und rechts neben dem Gleis Strecke und Signale gut einsehbar sein. Ein Abstand des Bewuchses vom Gleis mindestens 5 Meter und mehr.

Was auch auf alten Eisenbahnbildern dokumentiert ist, daß Strecken ständig von Bewuchs frei gehalten wurden.

Zum einen durch Verpachtung an Beschäftigte für Brennholz und Kleintierfutter oder durch gezieltes Abbrennen des Bahndammes auf nicht verpachteten Flächen.